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  • Art Meldungen
  • Veröffentlichungsdatum 11.08.2022

Im Interview: Stefan Dominik Peter

Auf dem Foto ist Stefan Dominik Peter zu sehen, unser neuer Vorstandsvorsitzender
Stefan Dominik Peter © Boaz Arad / Der Paritätische Berlin

Was ist Ihr Beruf, worauf haben Sie sich spezialisiert?

Ich bin Diplom-Politologe. Zunächst hatte ich als Pressesprecher gearbeitet und bin dann in die Medienbranche gewechselt. Seitdem arbeite ich als Reisejournalist. In den vergangenen Jahren habe ich neue Aufgaben übernommen und moderiere Treffen und Sendungen, zum Beispiel beim offenen Kanal Alex.

 

Bitte skizzieren Sie wichtige Stationen Ihres Lebens. Was hat Sie geprägt?

In jungen Jahren hat mich das Schwimmen stark geprägt. Ich war in der Nationalmannschaft und bei den Olympischen Spielen. Für mein Studium bin ich von Heidelberg nach Berlin gezogen – im September 1989. Dann kam der historische November mit dem Mauerfall. Berlin war eine einzige Party! Ich war neugierig auf den Osten und dort viel unterwegs. Für mich sind Ost und West schnell zusammengewachsen. Berlin ist eine großartige Stadt. Durch das Leistungsschwimmen habe ich viele Städte weltweit kennengelernt, aber hier gibt es so viel Kreativität und die Stadt ist so wunderbar bunt. Hier wollte und will ich unbedingt bleiben.

Gibt es eine Berlin-Mentalität und wenn ja, wie würden Sie diese beschreiben?

Als Zugezogener muss ich oft schmunzeln. Beim Bäcker oder im Wartezimmer in einer Praxis erlebe ich es schon mal, dass man kein Guten Tag zurückwünscht, einige Ansagen bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben sind legendär schroff. Ich versuche, es mit Humor zu nehmen. Man ist zunächst nicht überfreundlich, kritisiert erst einmal etwas – um sich dann doch aufeinander zu zubewegen. Und das zählt ja dann.

Sie sind im Rollstuhl unterwegs, möchten Sie sagen, warum?

Bei einer Pressreise in der Dominikanischen Republik ging ich durch einen Wald, um an einen bestimmten Strand zu gelangen. Dabei fiel ein großer Ast auf mich. Die nächste Erinnerung habe ich erst wieder an das Krankenhaus, in das ich kam. Da begann mein zweites Leben als behinderter Mensch, als Nicht-mehr-Fußgänger. Ich habe mir eine dreijährige Auszeit genommen. In dieser Zeit haben mich gute Freunde intensiv unterstützt. Ich weiß nun, wie nötig Hilfe im Notfall ist. Und nach einer Zeit kam auch mein positives Denken zurück, dass ich aus dem Schwimmen kannte, die Willensstärke. Ich habe wieder als Reisejournalist gearbeitet, jetzt mit dem Schwerpunkt barrierefreies Reisen.

Sie waren bereits seit Jahren für den Berliner Behindertenverband und im Vorstand des Paritätischen Berlin aktiv. Warum haben Sie diese Aufgaben übernommen?

Ein konkretes Erlebnis war der Auslöser. Ich habe ein Lieblingscafé gehabt. Da der Fußweg leicht geneigt war, gab es am Eingang keine Stufe. Plötzlich aber wurde eine Gehwegsanierung vorgenommen. Die Neigung gab es nicht mehr, dafür aber eine Stufe. Ich wollte das nicht hinnehmen und wurde dort aktiv, wo etwas für Teilhabe getan wird, so kam ich zum Berliner Behindertenverband. Anfangs habe ich dort die Verbandszeitung miterarbeitet, dann war ich im Vorstand. Meine ehemaligen Kollegen dort schlugen mich als Kandidaten für die Wahl des Vorstands im Paritätischen Berlin vor. So wurde ich 2012 erst Vorstandsmitglied, dann ab 2015 stellvertretender Vorstandsvorsitzender und nun zum Vorstandsvorsitzenden in unserem Landesverband gewählt.

Wie haben Sie den Verband bisher erlebt?

Diese Vielfalt der sozialen Arbeit im Verband – von Kita bis Hospiz – ist großartig! In meiner Vorstandsfunktion habe ich zunächst Vier-Augen-Gespräche mit den Referentinnen und Referenten geführt. Alle sind mit Herzblut dabei. Egal, mit wem ich sprach: hier steht der Mensch, der Hilfe braucht, im Mittelpunkt. Was braucht er oder sie? Wie können wir ihn oder sie dabei unterstützen? Hautfarbe, Herkunft, Geld, wen man liebt – all das spielt dabei keine Rolle. Das ist eine Haltungsfrage. Wir haben die Gespräche beibehalten und den ganzen Vorstand dazu geholt: Noch heute laden wir zu jeder Vorstandssitzung eine Referentin beziehungsweise einen Referenten ein, der uns die aktuellen Themen seines Fachbereichs schildert.

Noch ein Erlebnis dazu: Bei einem Treffen mit ehrenamtlich Aktiven kam ich gemeinsam mit Frau John (vormals Vorstandsvorsitzende – Anm. der Redaktion) mit einer Frau ins Gespräch, die ihre Tochter durch Selbstmord verloren hatte. Sie war tieftraurig. Nachts konnte sie nicht schlafen und hatte oft die Telefonseelsorge angerufen. Als es ihr besser ging, hat sie sich einmal pro Woche selbst dort engagiert und eine Nachtwache übernommen. Diese engagierten Menschen, ob ehren- oder hauptamtlich aktiv, hinterlassen einen tiefen Eindruck bei mir.

Wofür wollen Sie sich als Vorstandsvorsitzender besonders einsetzen?

Für den Bereich der Menschen mit Behinderungen kann ich sagen: Die Politik muss Teilhabe viel schneller und strukturierter verwirklichen. Es gibt zu wenig barrierefreien Wohnraum, es dauert viel zu lange, bis alle Bezirke Teilhabehäuser haben, bis sich Beiräte finden etc.

Aber natürlich habe ich auch alle anderen Bereiche im Blick: Es muss Schulen mit funktionierenden Toiletten geben, genügend Kitaplätze und Erzieherinnen beziehungsweise Erzieher. Tafeln helfen – das sie aber überhaupt nötig sind, kritisiere ich. Existenz und Teilhabe müssen für alle gesichert sein.

Auf welche Termine in den nächsten Monaten freuen Sie sich besonders?

Auf die Parieté-Gala am 26. August freue ich mich wahnsinnig! Sie zeigt, was beim Zusammenwirken von behinderten und anderen Menschen möglich ist. Abseits aller Alltagssorgen lässt uns diese Kunst genießen, was wir gemeinsam auf die Bühne bringen können. Ich darf ein Grußwort halten. Natürlich freue ich mich auch auch auf die PIA-Verleihung am 2. Dezember, den Paritätischen Preis für Frauen mit Behinderung in Aktion. Und wenn uns Corona keinen Strich durch die Rechnung macht, auf die Mitgliederversammlung im November. Es tut gut, sich direkt zu sehen und zu sprechen. Eine gute Idee finde ich auch unsere geplanten Regionalkonferenzen, bei denen wir uns mit Mitgliedern in ihren Bezirken treffen.

Welche Hobbies haben Sie? Was tun Sie zur Entspannung?

Schwimmen, das geht trotz Behinderung. Aber auch passiv genieße ich Sport, ich schaue gern Fußballspiele. Und was ich für mich entdeckt habe: Kakteen und Sukkulenten züchten. Sukkulenten sind Pflanzen, die viel Wasser speichern können und deshalb wenig davon verbrauchen. Sie sind ein Meister der Anpassung.

Das Interview führte Anja Wotzlaw, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Paritätischen Berlin

Link zum Podcast mit Stefan Dominik Peter auf berlinbessermachen.de

 

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