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  • Schlagwort Aus den Mitgliedsorganisationen
  • Organisation Familienprojekt aufGefangen des FREIE HILFE BERLIN e.V.
  • Art Meldungen
  • Veröffentlichungsdatum 20.11.2023

Familienreise an den Wandlitzer See

Familienprojekt aufGefangen des FREIE HILFE BERLIN e.V.

Eine Gruppe von Menschen steht arm in arm mit dem Rücken zum Betrachter vor einem See
Gruppenbild der Teilnehmenden © Julie Ganschow

Der Sommer dieses Jahres bot einigen von Haft betroffenen Familien und deren Kindern eine einzigartige Möglichkeit, die es so bislang in Berlin noch nicht gab: eine gemeinsame Reise an den Wandlitzer See nördlich von Berlin. Das Familienprojekt aufGefangen des FREIE HILFE BERLIN e.V. unterstützt durch verschiedene Angebote Angehörige von Inhaftierten mit besonderem Fokus auf Kinder. Vor diesem Hintergrund wurde im engen Austausch mit den Offenen Vollzügen Berlins eine Reise mit zwei Übernachtungen organisiert. Es nahmen sieben Familien in unterschiedlichen (Patchwork-) Konstellationen an der Fahrt im Juli 2023 teil. Darunter waren fünf Väter aus dem Offenen Vollzug Berlins mit ihren Kindern, teilweise auch in Begleitung der Mütter und Ehefrauen sowie zwei Mütter mit ihren Kindern (Kindsvater im Geschlossenen Vollzug inhaftiert). Insgesamt konnten so 12 Kinder Familienzeit außerhalb Berlins verbringen.

Familien, die von Haft betroffen sind, haben meist aufgrund unterschiedlicher Problemlagen keine Gelegenheit gemeinsam zu verreisen, was insbesondere für die Kinder von Nachteil ist. Ziel der Reise war, abhängig von der jeweiligen Familiensituation, (a) die Vater Kind Beziehung (b) die gesamte Familie zu stärken und (c) die teils alleinerziehenden Mütter zu entlasten.

Drei SozialarbeiterInnen des Trägers waren für Vorbereitung und Durchführung der Reise verantwortlich. Als familienfreundlicher Ort, der einerseits genug Privatsphäre für jede Familie aber auch Gruppenaktivitäten Raum bietet, wurde die Jugendherberge vor Ort ausgewählt. Jede Familie hatte ein eigenes Zimmer und die  Möglichkeit im Haus oder auf dem Gelände mit anderen Familien in Kontakt zu treten. Ferner bietet das Haus Vollverpflegung an, sodass jede Familie ohne weitere Absprachen entsprechend ihrer Bedürfnisse versorgt war.

Ablauf
Freitagnachmittag reiste jede Familie individuell an und konnte sich einrichten. Abends fanden ein gemeinsames Abendessen sowie ein kurzes Kennenlernen statt. Am Samstag konnten die Familien dank des sommerlichen Wetters den Tag gemeinsam am See verbringen: Baden, Stand Up Paddling, Spielen etc. Abends wurde gegrillt, sodass es ausreichend Raum gab einander kennenzulernen. So tauschten sich nicht nur die Erwachsenen untereinander auch sondern auch die Kinder und Jugendlichen fanden Zeit miteinander ins Gespräch oder Spiel zu kommen. Nach dem gemeinsamen Frühstück reisten die Familien ab.

Auswirkung auf die Familienbindung
Das Ziel der Reise knüpft eng an die Ziele bereits bestehender Angebote der Familienarbeit im Haftkontext des Familienprojekts auf Gefangen an. Von Bedeutung für die Kinder von Inhaftierten ist der Ausbau und Erhalt der Bindung und der Beziehung zu den Eltern, sofern das die Umstände zulassen. Außerdem sollte die Reise einen Raum schaffen, in dem sich Kinder untereinander in ähnlichen Lebenslagen ohne Angst um Ausschluss oder Verurteilung aufgrund der besonderen familiären Umstände begegnen können. Es geht darum, zu sehen, dass die Familien nicht alleine sind und umso wichtiger: Die durch Haft beeinflusste Zeit zwischen Kindern, Müttern und den inhaftierten Vätern mit neuen, schönen Erinnerungen zu besetzen und positive sowie einprägsame Momente zu schaffen; den Haftalltag und die damit einhergehenden Sorgen in der Großstadt zurücklassen, durchzuatmen und einfach eine schöne Zeit mit der Familie zu verbringen. Das ist im Rahmen der Reise gelungen.

Erfahrungen der teilnehmenden Familien
Die Rückmeldung der Familien war durchweg positiv. Sowohl Kinder wie auch Elternteile gaben an, wie wertvoll die gemeinsame Zeit bei all den alltäglichen Herausforderungen des Haftalltags sei. Die Reise bot für viele Familien die Auszeit, die im Haftalltag nicht gegeben ist. Im Rahmen der Jugendherberge und des Aufenthalts am See, konnten sich Väter und Kinder innerhalb der Familie in einem neuen Licht kennenlernen und auch Seiten aneinander beobachten, die im meist durchstrukturierten Alltag häufig wenig Bedeutung finden. Kinder und Elternteile konnten hier gemeinsame Entscheidungen treffen, die ihre gemeinsame Zeit bestimmen sollten. Die positive Atmosphäre während der Reise trug dazu bei, eine stärkere emotionale Verbundenheit zwischen den Vätern und ihren Kindern zu schaffen. Die Kinder erlebten ihre Väter als fürsorglich, engagiert und präsent. Die räumliche Distanz zur gewohnten Umgebung und den Belastungen des Haftalltags ermöglichte es den Vätern und Kindern, sich vollständig aufeinander zu konzentrieren. Dies half, die Sorgen und Belastungen des Alltags vorübergehend zu vergessen und sich auf die positiven Aspekte ihrer Beziehung zu fokussieren.

Fazit
Die Reise an den Wandlitz See war von Seiten unserer Sozialarbeitenden und für die Kinder und Eltern ein voller Erfolg. Das Wochenende wurde von allen Beteiligten genossen und verlief ohne Unstimmigkeiten oder Schwierigkeiten. Alle Vereinbarungen wurden eingehalten und die Familien zeigten sich von einer zugewandten, kooperativen und zuverlässigen Seite. Diese Initiative verdeutlichte, welchen positiven Einfluss gemeinsame Anstrengungen zwischen freien Trägern und Justizvollzugsanstalten haben können. Der Wunsch, solche Angebote zu wiederholen und idealerweise noch mehr Zeit miteinander zu verbringen, wurde mehrfach von den Teilnehmenden geäußert. Die Ideensammlung für eine Reise im Jahr 2024 hat bereits begonnen.

Text von Julie Ganschow (Sozialarbeiterin) und Nick Abt (Sozialarbeiter) vom Familienprojekt aufGefangen der FREIEN HILFE BERLIN e.V.

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