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  • Veröffentlichungsdatum 12.07.2022

Ergebnisse der Fachveranstaltung zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Berlin

Vier Jahre nach in Kraft treten der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt organisierte der Paritätische Landesverband Berlin eine Fachveranstaltung mit dem Ziel, einen Überblick über den aktuellen Stand der Umsetzung in Berlin zu erhalten.

Die Istanbul-Konvention ist das erste völkerrechtlich verbindliche Instrument im europäischen Raum zum Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Ein Kern der Konvention ist der ressortübergreifende Ansatz unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft als Voraussetzung für einen effektiven Gewaltschutz. Diesem Ansatz wurde mit der Veranstaltung gleich in mehrfacher Hinsicht Rechnung getragen: Zum einen haben die Fachreferate Frauen und Mädchen sowie Straffälligen- und Opferhilfe des Paritätischen Berlin das Treffen gemeinsam organisiert. Maßgeblich für die inhaltliche Planung der Veranstaltung war die Expertise der im Gewaltschutz engagierten Mitgliedsorganisationen aus beiden Referaten, und zwar sowohl im Hinblick auf die Unterstützung von gewaltbetroffenen Menschen als auch auf die Arbeit mit Tätern, damit diese ihr gewalttätiges Verhalten beenden. Darüber hinaus wurden mit der Veranstaltung Akteur*innen aus der Frauenpolitik und dem Anti-Gewalt-Arbeit mit den Bereichen Justiz, Strafverfolgung, pro-aktive Opferhilfe und Täterarbeit zusammengebracht.

Die Resonanz auf die Einladung war überwältigend: fast 150 Personen hatten sich für die Teilnahme angemeldet. Unter den Gästen vor Ort oder online waren Vertreter*innen aller demokratischen Parteien im Abgeordnetenhaus. Ebenfalls vertreten waren die für die Umsetzung federführenden Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und die beteiligten Senatsverwaltungen für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung, für Inneres, Digitalisierung und Sport und für Bildung, Jugend und Familie sowie mehrere bezirkliche Jugendämter und die Gleichstellungsbeauftragten aus sechs Berliner Bezirken. Die Polizei war mit 17 Teilnehmenden vertreten. Nicht zuletzt brachten Vertreter*innen aus über 40 zivilgesellschaftlichen Organisationen ihre Praxisperspektive in die Veranstaltung ein.  

Zunächst gaben fachliche Inputs aus dem Deutschen Institut für Menschenrechte und aus den Senatsverwaltungen für Gleichstellung und für Justiz Auskunft über die Inhalte der Istanbul-Konvention und über den Stand des Berliner Landesaktionsplans zu ihrer Umsetzung. Es folgten Kurzvorträge aus unseren Mitgliedsorganisationen, in denen praktische Empfehlungen für die Handlungsfelder Gewaltprävention im Gesundheitsbereich, Ausbau der Schutzinfrastruktur sowie Unterstützungsangebote für alle Opfer häuslicher Gewalt ausgesprochen wurden.

Der zweite Teil der Veranstaltung lenkte den Blick auf Beispiele guter Praxis in anderen Bundesländern. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf familiengerichtlichen Entscheidungen über das Umgangs- und Sorgerecht für gemeinsame Kinder. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit den gleichstellungspolitischen Sprecherinnen der Koalition und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft wurde abschließend überprüft, was hinsichtlich der Umsetzung der Konvention bereits erreicht wurde, was noch zu tun ist, und welchen Beitrag alle Beteiligten leisten können. Die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses Bahar Haghanipour (Bündnis 90/Die Grünen) und Miriam Golm (SPD) wiesen darauf hin, dass die im Landeshaushalt drohenden Kürzungen bei den Frauenprojekten abgewendet werden konnten und der Gleichstellungsetat um fünf Prozent erhöht wurde. Mit diesen zusätzlichen Mitteln werden u.a. weitere Beratungsangebote und Schutzplätze für gewaltbetroffene Frauen finanziert.    

Wie wird das Leben in Berlin aussehen, wenn die Istanbul-Konvention vollständig umgesetzt ist?

Diese Frage zog sich durchgängig durch die Veranstaltung und wurde allen aktiv Teilnehmenden gestellt. Ihre Antworten enthielten u.a. die folgenden Visionen für Berlin: 

  • Gesundheitsfachkräfte sind für das Thema häusliche Gewalt sensibilisiert.
  • Die Fachberatungsstellen sind bedarfsgerecht und langfristig finanziert.
  • Es gibt ausreichend Schutzplätze für Opfer häuslicher Gewalt.
  • Die Träger können mit ihren Hilfsangeboten auch das Dunkelfeld erreichen.
  • Opfer häuslicher Gewalt müssen nicht nach Hilfe suchen, sondern erhalten ein entsprechendes Angebot.
  • Die Bundesländer kooperieren bei der Bereitstellung von Schutzplätzen miteinander.   
  • In jedem Bezirk gibt es eine Einrichtung der Täterarbeit, die im gemeinsamen Fallmanagement mit Opferschutzeinrichtungen zusammenarbeitet.
  • Sowohl mit den Beratungs- und Schutzangeboten für Opfer von Gewalt als auch mit den Täterberatungsstellen werden Menschen jeglichen kulturellen Hintergrundes erreicht.
  • Die Verantwortung für die Umsetzung der Istanbul-Konvention liegt bei allen relevanten Ressorts und ist auch mit den entsprechenden Mitteln in den Einzelplänen des Landeshaushalts unterlegt.
  • Häusliche Gewalt ist als gesellschaftliches Problem anerkannt.
  • Machstrukturen sind abgebaut, die Utopie einer gewaltfreien Gesellschaft ist Realität.

Die Veranstaltung verdeutlichte, dass in den vergangenen Jahren in Berlin bereits einiges für die Verbesserung des Gewaltschutzes für Frauen und Mädchen erreicht wurde. Der Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention ist ein gutes Beispiel für die nicht immer selbstverständliche Zusammenarbeit aller zuständigen Ressorts unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft. Noch sind nicht alle aus der Konvention resultierenden Verpflichtungen umgesetzt. Alle an der Veranstaltung Beteiligten einte jedoch der Wille, auch in Zukunft gemeinsam Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen, die Opfer zu schützen und im gewaltpräventiven Sinne mit Tätern zu arbeiten.

Teilnehmende der Podiumsdiskussion: Asha Hedayati (Rechtsanwältin), Roland Hertel (BAG Täterarbeit), Wiebke Wildvang (BIG e.V.) Bahar Haghanipour (Bündnis 90/Die Grünen) © Astrid Lück/ Paritätischer Berlin

Präsentationen der Veranstaltung und weitere Materialien

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