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  • Veröffentlichungsdatum 24.02.2022

Bezahlbarer Wohnraum für Alleinerziehende

Serie: Bezahlbare Wohn- und Gewerbemieten sichern ein soziales Berlin!

Alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern auf Sofa
Alleinerziehende Mutter © unsplash / Alexander Dummer

Berlin ist eine beliebte und stark wachsende Metropole mit derzeit 3,7 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern. Im Zeitraum von 2011 bis 2016 ist Berlin um rund 245.000 Menschen gewachsen. Das entspricht der kompletten Bevölkerung einer Großstadt wie Kiel. Seitdem nimmt die Bevölkerung weiter jährlich um die Größenordnung einer Mittelstadt zu.

Zwischen 2006 und 2016 ist laut Berliner Familienbericht in Berlin die Zahl der Kinder unter sechs Jahren um 31 Prozent gestiegen. Knapp ein Drittel aller Familien in Berlin sind laut Statistischem Bundesamt Einelternfamilien. Somit ist Berlin auch die Hauptstadt der Alleinerziehenden.

Der im Jahr 2019 beschlossene Stadtentwicklungsplan Wohnen geht davon aus, dass in Berlin bis zum Jahr 2030 rund 194.000 Wohnungen benötigt werden, um die wachsende Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner zu versorgen. Doch der Ausbau der Infrastruktur mit bezahlbaren Wohnungen und familienfreundlicher Wohninfrastruktur wächst langsamer als die Bevölkerung. Eine angemessene politische Zukunftsplanung und Lösung dieses Dilemmas ist nicht in Sicht, obgleich die Prognosen und Zahlen bekannt sind.

Steigende Mieten, kaum bezahlbarer Wohnraum, beengte Wohnverhältnisse, hohe Mietbelastungsquoten, Diskriminierungserfahrungen bei der Wohnungssuche oder familienfeindliche Wohninfrastruktur sind die Folgen, mit denen sich längst nicht mehr nur von Armut Betroffene oder Geringverdienende konfrontiert sehen.

Alleinerziehende gelten als die von der aktuellen Wohnungsmarktkrise mit am stärksten betroffene Personengruppe.

Alleinerziehende leben überdurchschnittlich oft in beengten Wohnverhältnissen und können sich selbst mit einem mittleren Einkommen keine Wohnungen mehr innerhalb des S-Bahnrings leisten. Laut einer Online-Umfrage des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) Berlin e. V. vor zwei Jahren leben viele Alleinerziehende mit der Sorge ihre Wohnungen zu verlieren und keine neue mehr zu finden. In dieser Umfrage wünschten sich die Familien in ihrem direkten Wohnumfeld Grünflächen und Spielplätze, standortnahe Einkaufsmöglichkeiten, gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, wohnraumnahe Schulen, sichere Radwege, verkehrsberuhigte beziehungsweise autofreie Zonen und Spielstraßen und ausreichend Kitaplätze oder Kindertagespflegestellen.

Kommen weitere Diskriminierungsebenen, wie Rassismus oder Ableismus hinzu, bedeutet es, dass eine Wohnung zu finden fast aussichtslos ist. Deshalb engagiert sich der VAMV als Mitglied im Beirat der Fachstelle „Fair mieten – Fair wohnen“ gegen Diskriminierung von Alleinerziehenden auf dem Wohnungsmarkt in Berlin.

Im Vergleich tragen Alleinerziehende zudem die höchste Mietbelastungsquote. Die deutlich höchste tragen Alleinerziehende in Großstädten und Alleinerziehende mit einem geringen Einkommen: Sie geben knapp die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aus. Diese Zahlen spiegeln sich auch in den Ergebnissen der Umfrage des VAMV wider: Insgesamt 82,5 Prozent der Befragten geben demnach zwischen 30 und über 50 Prozent ihres Nettoeinkommens für Wohnraum aus.

Das sind alarmierende Zahlen: Eine Mietbelastungsquote von über 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens wird von Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie Immobilienexpertinnen und -experten als problematisch gesehen, da nach Zahlung der Miete zu wenig finanzielle Mittel verbleiben, um die Lebenserhaltungskosten zu bestreiten. Auch Vermietende setzen in der Regel die Grenze bei 30 Prozent und vermieten ihre Wohnungen nicht an Menschen, deren Einkommen nicht das Dreifache der Miete übersteigt.  

Dem Alleinerziehendenstatus ist in vielen Fällen eine Trennung oder Scheidung vorangegangen, was oftmals einen kurzfristigen Umzug notwendig macht. Hier ist es wichtig, gewachsene sozialräumliche Strukturen nicht verlassen zu müssen, also eine Wohnung in der alten Nachbarschaft zu finden. Es spielt eine wichtige Rolle, die Kinder nicht dem gewohnten sozialen Umfeld zu entreißen, aber die gewachsenen Netzwerke sind auch von Bedeutung, wenn es darum geht, Betreuungsengpässe abzudecken.

Kinder sind das gesellschaftliche Fundament unserer Zukunft. Alleinerziehende sind systemrelevant. Die Mietbelastungsquote darf nicht so hoch sein, dass nach Zahlung der Miete keine gesellschaftliche Teilhabe mehr möglich ist.

Es sollten alle Familienformen bezahlbaren Wohnraum und eine gute Infrastruktur in Berlin finden können. Wohnen ist ein Menschenrecht und die Zahlung der Miete darf Familien nicht in die Armut treiben!

Wir setzen uns auf politischer Ebene für eine Verbesserung der Wohnsituation für Alleinerziehende ein. Konkrete Wohnmöglichkeiten kann unser Verein leider nicht bieten. Wer jedoch alleinerziehend ist und Unterstützung in dieser Lebenssituation sucht oder als Ansprechperson in Einrichtungen mit Alleinerziehenden arbeitet und Fragen hat, kann sich gerne an uns wenden.

Marja Ellinghaus und Claudia Chmel, Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV)
Landesverband Berlin e. V.

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