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  • Veröffentlichungsdatum 10.07.2023

„Ohne einen Mentalitätswechsel werden die Herausforderungen nicht zu lösen sein“

Das Procon College auf neuen Wegen gegen den Fachkräftemangel in der Jugendhilfe

Fünf Menschen sitzen in einem Konferenzraum um einen Tisch und schauen in Richtung einer Flip Chart. Auf dem Tisch stehen Teller mit Frühstück.
Unterricht am Procon College © Procon College

In allen Bereichen fehlt es aktuell an qualifizierten Mitarbeitenden. In der Jugendhilfe ist diese Situation besonders drastisch spürbar – denn die Angebote für die Jugendlichen müssen um jeden Preis erhalten bleiben. Um aktiv etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun, haben sich die Jugendhilfeträger contact – Jugendhilfe und Bildung gGmbH und proFam gGmbH in Steglitz-Zehlendorf auf neue Wege begeben: An der Erzieher:innenfachschule PROCON College bilden sie selbst ihre zukünftigen Fachkräfte aus – in enger Zusammenarbeit mit dem Bezirk. 

Wie funktioniert das genau und was sind die Voraussetzungen für dieses Modell? Nina Peretz vom Paritätischen Berlin sprach mit Uwe Lamm und Peter Heinßen, den Geschäftsführern der procon College gGmbH, sowie mit Oliver Gulitz, dem Jugendamtsleiter von Steglitz-Zehlendorf.

Nina Peretz: Das PROCON College ist nun seit diesem Jahr anerkannte Fachschule für Sozialpädagogik. Sie haben erfolgreich eine Klasse durch die Abschlussprüfungen begleitet und starten im August in neuen Räumlichkeiten mit einer speziellen Steglitz-Zehlendorf-Klasse. Was ist das Besondere an der neuen Klasse? 

Uwe Lamm: Bei dieser Klasse liegt der Schwerpunkt auf der Jugendhilfe. Wir haben als Steglitz-Zehlendorfer Träger gesagt, dass wir aktiv etwas unternehmen und eine Lösung für die aktuellen Probleme des Fachkräftemangels finden müssen. 
Das Besondere ist, dass wir uns mit dem Angebot nicht explizit an junge Erwachsene wenden, die gerade die Schule abgeschlossen haben. Vielmehr richtet sich das Angebot an Menschen, die bereits Erfahrung in einem anderen Berufsfeld haben und in diesen Bereich wechseln möchten, oder an Quereinsteiger:innen, die bereits in dem Bereich tätig sind, denen aber die fachliche Qualifikation fehlt und die einen staatlich anerkannten Abschluss möchten. 
Diese potentiellen Fachkräfte können an der Fachschule ausgebildet werden, wenn sie die Zugangsvoraussetzungen erfüllen. Die duale Ausbildung dauert drei Jahre und ist berufsbegleitend. Die Auszubildenden sind drei Tage in ihrer Einrichtung tätig und zwei Tage in der Schule, verdienen also Geld während ihrer Ausbildung. 

Peter Heinßen: Eine weitere Besonderheit unseres Angebotes ist, dass die Partner:innen im Sozialraum – wie Träger:innen oder Jugendamt –  eingebunden sind, z.B. in die Akquise künftiger Schülerinnen und Schüler. Damit gelingt eine viel größere Breite in der Akquise und eine gemeinschaftliche Herangehensweise. 

Nina Peretz: Herr Gulitz, Sie engagieren sich als Jugendamtsleiter mit in dem Projekt. Worin liegt Ihre Motivation dabei?

Oliver Gulitz: Wir setzen große Hoffnung in die Fachschule PROCON College, da wir ja auch Jugendfreizeiteinrichtungen haben, in der Erzieher:innen arbeiten. Wir haben großen Bedarf an gut qualifizierten neuen Fachkräften – und stellen fest, dass es schwierig ist, sie zu bekommen.
Wir freuen uns über das Engagement der Fachschule und darüber, dass wir uns beteiligen und eigene Mitarbeitende ausbilden können. Für uns ein völlig neuer Schritt und eine riesige Chance.
Gleichzeitig arbeiten wir mit vielen freien Trägern der Jugendhilfe zusammen. Die Bereiche der Hilfen zur Erziehung, Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Kitas sind auf die qualifizierten Fachkräfte angewiesen. Wir freuen uns, nun einen Beitrag leisten zu können, dass junge Menschen und auch erfahrene Quereinsteiger:innen in Steglitz-Zehlendorf diesen Beruf erlernen und sich hier engagieren können.

Nina Peretz: Und worin liegt der Vorteil für einen Träger, wenn bereits tätige Mitarbeitende die zusätzliche Qualifikation erwerben?

Peter Heinßen: Die Mitarbeitenden können mit dem Abschluss als Fachkraft tätig sein, statt nur unterstützend und begleitend zu arbeiten. 

Uwe Lamm: Neben dem wichtigen Argument des Fachkräfteschlüssels steht der Aspekt der Reflexion und der bewussten Auseinandersetzung mit der eigenen Tätigkeit. Dafür ist im Arbeitsalltag normalerweise wenig Zeit, in der Ausbildung steht sie im Mittelpunkt. Der Metablick auf die eigene Organisation und die Arbeitssituation bietet einen großen Mehrwert dieser Qualifikation. Außerdem fällt nach der Ausbildung die Einarbeitungszeit weg, da die Absolvent:innen ja schon in der Einrichtung arbeiten und die Arbeitsprozesse kennen. Ein zeitlicher und wirtschaftlicher Gewinn für alle Beteiligten.

Nina Peretz: Woran liegt es, dass ein Schwerpunkt der Ausbildung auf dem Bereich der Hilfen zur Erziehung liegt? Sehen Sie dort besonders großen Bedarf?

Peter Heinßen: Diesen Fokus hatten wir von Anfang an. So gut wie alle Menschen, die bei unserem Träger angefangen haben, sind damals aus der Kindertagesbetreuung gekommen – und brauchten zunächst eine Qualifikation im Bereich der Hilfen zur Erziehung. 

Uwe Lamm: Mir ist schon damals aufgefallen, dass wir in den stationären Angeboten qualifizierte Erzieher:innen benötigen. Wir wollten zunächst dafür sorgen, dass wir unseren eigenen Nachwuchs ausbilden. Inzwischen hat uns die gesellschaftliche und politische Situation aber eingeholt und wir gehen aktiv auf den Sozialraum zu.

Nina Peretz: Welche Rolle spielt die Sozialraumorientierung bei Ihrem Ansatz?

Uwe Lamm: Unsere beiden Träger sind ein Beispiel für eine erfolgreiche regionale Kooperation – beispielsweise mit der Pflegekinderhilfe in Steglitz-Zehlendorf. Mir ist die sozialräumliche und systemische Zusammenarbeit ein großes Anliegen. Wir sollten lokale Probleme nicht großstädtisch lösen, sondern im Kleinen, regional in Räumen, die wir kennen. Dafür braucht es regionale Konzepte.
Zum Lösungskonzept für die Herausforderungen gehört genau diese Außenstelle des PROCON College ab August 2023 in den Räumen über der Jugendfreizeiteinrichtung Wannsee. 

Nina Peretz: Würden Sie sagen, dass dieses Konzept auch auf andere Bezirke übertragbar wäre?

Oliver Gulitz: Unser Ansatz und unsere Arbeitsweise sind sehr typisch für Steglitz-Zehlendorf, da die Zusammenarbeit zwischen freier und öffentlicher Jugendhilfe schon immer großgeschrieben wurde. Dafür steht auch dieses Projekt modellhaft. Wir wollen unsere Ressourcen bündeln und gemeinsam die notwendigen Fachkräfte ausbilden und beide Seiten können gleichermaßen profitieren. Zugleich überlegen wir immer, wie wir als Arbeitgeber im Bezirk attraktiv sein können.  
Die Themen und Probleme, die wir hier haben, sind sicher mit anderen Bezirken vergleichbar, so dass das Konzept teilweise übertragen werden könnte. 

Peter Heinßen: Das Besondere ist bei uns die Idee, das Jugendamt, andere Träger und den Sozialraum einzubinden und dadurch eine viel größere Reichweite zu schaffen. Wenn es also eine gute und enge Zusammenarbeit mit der Jugendamtsleitung gibt und das Jugendamt die Trägerlandschaft gut kennt und bereit ist, dann können solche Modelle die richtigen Schritte in eine gewinnbringende Zukunft sein. 

Uwe Lamm: Wichtige Voraussetzung ist dafür, dass unter den Dozent:innen in der Ausbildung auch Fachkräfte aus dem Bezirk sind, die Theorie und Praxis gut miteinander verbinden können. Und die Auszubildenden sind alle in der Praxis tätig, können also voneinander lernen und sich gegenseitig in den Einrichtungen besuchen. 

Peter Heinßen: Eins ist sicher: Ohne einen Mentalitätswechsel werden die aktuellen Herausforderungen nicht zu lösen sein. Die Träger:innen müssen anfangen, mehr im eigenen Netzwerk zu suchen und die Fachkräfte selbst ausbilden zu lassen. Die klassischen Methoden der Personalsuche werden wir auf die Dauer nicht weiterführen können. 

Uwe Lamm: Durch die starke Anbindung an den Sozialraum hoffen wir zudem, dass die neu ausgebildeten Fachkräfte nach dem Abschluss der Ausbildung dem Bezirk und den Trägern erhalten bleiben. Wir sehen uns nicht als Opfer der Umstände, sondern als Gestalter:innen des Wandels.

 

Weitere Informationen zur Ausbildung am PROCON College
Erzieher/in in der Kinder- und Jugendhilfe 
Ab August 2023 - Die erste Steglitz-Zehlendorf-Klasse beim PROCON College 
Intensive Verzahnung von Theorie und Praxis 

Die Kompetenzerweiterung innerhalb des Unterrichtes findet lernfeldübergreifend und aus verschiedenen fachwissenschaftlichen Perspektiven statt. Im Rahmen von Lernsituationen entstehen an die Praxis angelehnte bzw. ihr entnommene Handlungssituationen, denen die Studierenden in ihrem beruflichen Alltag begegnen können.

  • Die Schultage sind Montag und Freitag von 9- 16 Uhr. 
  • Alle Berliner Schulferien sind schulfrei. 
  • Die übrigen Tage gehen die Studierenden in den Einrichtungen zwischen 20-28 Stunden pro Woche arbeiten. 
  • Die Bezahlung erfolgt nach den ortsüblichen Konditionen. 
  • Es kommen keine weiteren Kosten in Form von Schulgeld auf die Einrichtungen zu. 
  • Die Studierenden zahlen kein Schulgeld, lediglich 15 € Kopiergeld pro Monat.
  • Das VERSUS-Praktikum wird ausschließlich von der Schule organisiert. 
  • Beratungstermine ONLINE: auf der Website.

Haben Sie Fragen? 
PROCON College 
Stresemannstraße 78 
10963 Berlin 
0176 552 375 25 
info@procon-college.de 
www.procon-college.de 
Ansprechpartner: Schulleiter Andreas Hagen-Penther

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