Das Bürgergeld kommt im Januar 2023
Reform oder Reförmchen?
Das Bürgergeldgesetz tritt im Januar 2023 in Kraft. Das Bürgergeld ersetzt das vormalige Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich Hartz IV genannt. Zuletzt hatte das neue Gesetz im Vermittlungsausschuss einige gravierende Änderungen erfahren:
- die Vertrauenszeit von sechs Monaten, während der auf Sanktionen weitgehend verzichtet werden sollte, wurde gestrichen
- das Aussetzen der Leistungskürzungen durch die Jobcenter endet zum 1. Januar 2023
- der Umfang der Sanktionen bei Pflichtverletzungen wurde neu geregelt: bei der ersten Pflichtverletzung, werden zehn Prozent des Regelsatzes für einen Monat gekürzt, bei einer weiteren Pflichtverletzung 20 Prozent für zwei Monate sowie bei jeder weiteren Pflichtverletzung 30 Prozent für drei Monate
- die Karenzzeit zum erhöhten Schutz der Wohnung und des Vermögens wurde auf ein Jahr - statt zwei Jahre - verkürzt
- das Schonvermögen während der Karenzzeit wurde reduziert von 60.000 Euro auf 40.000 Euro für den Haushaltsvorstand. Die weiteren Mitglieder des Haushaltes dürfen statt 30.000 Euro nur noch maximal die Hälfte besitzen. Ansonsten müssen sie ihre Ersparnisse zuerst aufbrauchen, bevor sie leistungsberechtigt werden.
Insgesamt entsteht durch das Reförmchen eine doppelsinnige Situation für Jobcenter, Träger und Leistungsempfangende. Ursprünglich sollte eine neue Strategie der Motivation und Freiwilligkeit mit dem Bürgergeldgesetz verankert werden, mit Bonuszahlungen für Teilnehmende von Qualifizierungen, dem Wegfall von Sanktionen und einer gemeinsam geschlossenen Kooperationsvereinbarung zwischen Jobcenter und Kundinnen und Kunden. Der Vermittlungsvorrang ist zwar weggefallen, die Sanktionen wurden jedoch wieder eingeführt. Die Budgets der Jobcenter fallen um circa zehn Prozent geringer aus, dennoch sollen daraus wichtige und erhebliche Aufgaben finanziert werden, wie die fünfjährig geförderten Arbeitsplätze nach § 16i SGB II, die ganzheitliche Betreuung im Sinne eines Coaching nach § 16k SGB II sowie Bonuszahlungen für das Wahrnehmen von Qualifikationen und die Übernahme der Kosten eines dritten Ausbildungsjahres statt bisher zwei Jahren. Die Folge ist zunächst das zurückhaltendere Planen der Jobcenter bei kostenintensiven Instrumenten, wie abschlussorientierten beruflichen Weiterbildungen und Umschulungen, geförderten Arbeitsplätze sowie Arbeitsgelegenheiten, sogenannten Ein-Euro-Jobs.
Im November 2022 waren in Berlin bei den Agenturen für Arbeit und den zwölf Jobcentern insgesamt 175.591 Arbeitslose gemeldet. Die Unterbeschäftigung – das ist die Summe aus arbeitslosen und an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnehmenden Menschen – lag im November 2022 bei 234.063 Personen. Das sind rund 1.487 weniger als im November 2021.
Die Herausforderungen, verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit aufzulösen und Gefahren der Wohnungslosigkeit zu begegnen, können der Statistik nicht angesehen werden. Nach wie vor fehlt es an einer berlinweit mit allen Beteiligten abgestimmten Strategie gegen Langzeitarbeitslosigkeit.
Autor
Markus Pleyer
E-Mail: pleyer[at]paritaet-berlin.de