75 Jahre sind wir nun alt – oder jung. Auch wenn uns die aktuellen Diskussionen um Einsparungen im sozialen Bereich die Feierlaune etwas verdirbt, bleiben wir optimistisch. Denn: Zivilgesellschaftliches Engagement und freie Träger hatten es noch nie leicht. Schon auf der Gründungsfeier wandte sich die damalige Leiterin der Abteilung Sozialwesen beim Berliner Magistrat und spätere Alterspräsidentin des Deutschen Bundestags, Dr. Marie-Elisabeth Lüders, gegen das Vorhaben des Magistrats, Einrichtungen freier Träger in kommunale Trägerschaft zu übernehmen.
Auch heute sehen sich die freien gemeinnützigen Träger Skepsis und mitunter einem Unverständnis von staatlicher Seite gegenüber. Aber das spornt uns nur an.
Zivilgesellschaftliches Engagement und freie Träger hatten es noch nie leicht.
Wir werden die Planungen für den Landeshaushalt 2026/2027 sehr aufmerksam verfolgen und uns gegen Einsparungen wehren. Da wird zum Beispiel von der Finanzverwaltung suggeriert, die sogenannten Transferleistungen seien zu hoch. Dabei handelt es sich um gesetzlich festgeschriebene Leistungen u.a. für Menschen mit Behinderungen und oder Pflegebedarf, um Kinder und Jugendliche, die Unterstützung brauchen. Diese Hilfen machen es ihnen möglich, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Ja, es stimmt. Die Ausgaben für diese Leistungen steigen: weil wir länger leben, weil die Zahl der psychisch Erkrankten zunimmt oder schlicht und einfach, weil Berlin wächst. Wir haben Vorschläge gemacht, die Kosten einigermaßen zu begrenzen, zum Beispiel durch die Budgetierung von Leistungen.
Die Annahme, durch noch mehr Bürokratie, durch noch mehr Kontrollen Leistungen und Kosten reduzieren zu können, konnten wir, auch dank unserer ständigen Hinweise zur Entbürokratisierung der Zuwendungspraxis, erfolgreich aufdecken und widerlegen. Wir haben uns sehr gefreut, dass der Rechnungshof in seinem Jahresbericht das gleiche Dilemma bemängelt und damit den Druck erhöht. Zwei Jahre lang hat eine senatsverwaltungsübergreifende Arbeitsgruppe dazu getagt, in die wir mit eingebunden waren. Nun gibt es erste, wenn auch überschaubare Fortschritte, etwa beim Vergaberecht oder bei der Verwendung der ausgezahlten Gelder. Das freut uns sehr. Wir hoffen, es ist der Anfang der Entbürokratisierung.
Dass es sich lohnt zu kämpfen, hat sich bei den Tarifmitteln gezeigt. Mit unserer Demonstration vor dem Abgeordnetenhaus Ende des vergangenen Jahres haben wir erreicht, dass sie nicht gekürzt wurden. Dank Ihrer großartigen Teilnahme waren wir beeindruckend viele. Auch wenn es jetzt wieder ein unglaubliches Hin und Her bei der Bewilligung gibt, jeder Bezirk und jede Verwaltung es anders macht – wir lassen uns nicht entmutigen. Wir stellen beharrlich unsere Forderungen: ob im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses oder öffentlich in den Medien.
Gern verweisen wir in dem Zusammenhang auf die Berliner Verfassung, Artikel 22. Dort heißt es: „Die Errichtung und Unterhaltung von Einrichtungen für die Beratung, Betreuung und Pflege im Alter, bei Krankheit, Behinderung, Invalidität und Pflegebedürftigkeit sowie für andere soziale und karitative Zwecke sind staatlich zu fördern, unabhängig von ihrer Trägerschaft.“ Das heißt, freie gemeinnützige Träger sind genauso zu fördern und zu unterstützen wie kommunale Einrichtungen.
Mit dieser Haltung führen wir auch die aktuellen Rahmenvertragsverhandlungen Eingliederungshilfe mit dem Land Berlin. Die nach vielen Verhandlungsrunden erlangte Zustimmung auf Seiten der LIGA Berlin reichte hier nicht aus. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) verweigerte kurzfristig seine Zustimmung und ließ die Rahmenvertragsunterzeichnung platzen. Jetzt wird das Land Berlin aller Wahrscheinlichkeit nach einen öffentlich-rechtlichen Vertrag anbieten. Auch das bedeutet wieder mehr Bürokratie. Unser Ziel bleibt es weiterhin, einen gemeinsamen Rahmenvertrag mit dem Land Berlin abzuschließen.
Wir suchen nach Lösungen, nicht nach Problemen. In unserer Reihe „Zivilgesellschaft wirkt“ vernetzen wir uns noch besser mit Ihnen. Denn zusammen sind wir nicht nur stark, wir haben auch noch bessere Ideen. Das wirkt nach innen und nach außen: bei Politik und auch in der Öffentlichkeit.
Mit Ihnen gemeinsam haben wir verschiedene neue Projekte vorangebracht. So zum Beispiel, gerade veröffentlicht, die Studie zur medizinischen Versorgung von Menschen ohne Wohnraum. In unserem Auftrag hat die Charité medizinische Daten, die über zehn Jahre erhoben wurden, ausgewertet. Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage können wir jetzt fundierte Vorschläge machen, wie die Situation wohnungsloser oder obdachloser Menschen wirksam verbessert werden kann.
Anfang April gab es im Bürgerzentrum Neukölln wieder ein besonderes Fest: die Verleihung der Paritätischen Ehrennadeln. 24 Menschen, die sich zwischen 10 und 25 Jahren ehrenamtlich engagieren, wurden ausgezeichnet. Das macht Mut. Diese wunderbaren Engagierten machen das bunte und soziale Berlin aus.
Wir sind stolz auf Sie, auf unsere Mitglieder! Nur weil es Sie gibt, gibt es uns. Auf weitere 75 Jahre – gemeinsam #berlinbessermachen!
was uns bewegt, wofür wir stehen, wie wir Berlin besser machen
Prof. Dr. Gabriele Schlimper ist Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin und blickt in dieser Kolumne auf die wichtigen sozialpolitischen Ereignisse der vergangenen Wochen zurück.
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