Wandel gestalten, Chancen nutzen: Kitas im Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin
Bunt, engagiert und vielfältig: Unter dem Dach des Paritätischen Berlin zeigt sich die ganze Vielfalt der Kindertagesstätten in Berlin. Es gibt kleine Elterninitiativen, in denen zehn Kinder betreut werden, und es gibt Kitas von großen Organisationen mit Platz für mehrere tausend Kinder. Insgesamt werden in den 550 Kitas von 122 Trägern rund 51.000 Kinder betreut und gefördert. Dass die Paritätischen Mitgliedsorganisationen im Bereich Kita so gut aufgestellt sind, ist kein Zufall, sondern ein Ergebnis des jahrzehntelangen Engagements für gute Bildung und Betreuung.
Doch das war nicht immer so: In den Anfangsjahren war der Kita-Bereich im Paritätischen Berlin noch überschaubar. „Bis zur Wendezeit gehörten relativ wenige Kitas zum Mitgliederstamm“, erinnert sich Martin Hoyer, der seit 1999 als Kita-Referent für den Verband tätig war und heute stellvertretender Geschäftsführer des Paritätischen ist. Im Juni 1990 gehörten gerade einmal 48 Kita-Träger mit 82 Einrichtungen zum Paritätischen Berlin, darunter neben Kitas von Nachbarschaftshäusern und Stadtteilzentren vor allem selbstorganisierte Elterninitiativen-Kitas und die für West-Berlin typischen Kinderläden. Von der heutigen Trägervielfalt war damals noch nichts zu sehen.
Die Wende: Kinderladen trifft auf Wochenkrippe
Nach der Wiedervereinigung trafen zwei völlig unterschiedlichen Systeme aufeinander – auch bei der Erziehung und Betreuung der Kinder. In West-Berlin boten antiautoritäre Erziehungsansätze der Kinderläden und spielerische Konzepte den Kindern und Pädagog*innen Raum zum Ausprobieren. Im Ostteil der Stadt war die Kinderbetreuung durch große, klar strukturierte Kitas in zentraler Trägerschaft geprägt.
Die Öffnung der Mauer sorgte für Aufbruchsstimmung und neue Möglichkeiten in der Kita-Landschaft. Engagierte Erzieher*innen aus dem Osten schlossen sich zu Vereinen zusammen und entwickelten unter deren Trägerschaft die Kitas weiter, in denen sie zuvor als Pädagog*innen gearbeitet hatten. Auch für Träger aus dem Westen boten sich neue Perspektiven, so auch für das Fortbildungsinstitut für Pädagogische Praxis, kurz FiPP. Nachdem der Verein in den 1970er-Jahren als ein Kollektiv engagierter Pädagog*innen und Forscher*innen in West-Berlin gestartet war, engagierte sich der Verein ab Anfang der 1990er-Jahre verstärkt im Ostteil der Stadt und baute dort offene Treffpunkte und Freizeiteinrichtungen für Jugendliche auf. „Wir haben Orte gesucht, die für Kinder spannend waren“, erzählt Barbara Tennstedt, die damals Geschäftsführerin von FiPP war und die Entwicklung des Vereins aktiv mitgestaltet hat. „Oft mussten wir improvisieren – in Absprache mit den Bezirken haben wir leerstehende Räume und Flächen genutzt.“

Fokus auf den Kita-Bereich
Seine erste Kindertagesstätte übernahm FiPP 1996: die „Kita Hasenburg“ in Marzahn-Hellersdorf. „Wir wollten unsere bestehenden Angebote ergänzen und haben uns deshalb für die Kita in Marzahn beworben – und man wollte uns!“, erinnert sich Barbara Tennstedt. „Das fachliche Wissen hatten wir ja, auch wenn wir bis dahin noch nicht in diesem Feld tätig waren.“ Seinem Prinzip der Öffnung für Kinder unterschiedlichen Alters aus der Umgebung blieb der Träger dabei treu: In der ungenutzten Haushälfte des Kita-Gebäudes entstand das „FiPP-Café“ als offener Freizeittreff für ältere Kinder und Jugendliche.
Acht Jahre lang sollte die „Hasenburg“ die einzige Kita von FiPP bleiben. Doch dann machte der Verein einen riesigen Entwicklungssprung: Im Januar 2004 kam die Kita „Fantasia“ in Spandau hinzu, im Juli die Kita „Hochkirchstraße“ und im Dezember das „Haus der Kinder“, beide in Schöneberg. Allein im Jahr 2005 übernahm FiPP zehn weitere Kitas und wuchs auch danach als Kita-Träger stetig weiter.

Ein starkes Signal: Freie Träger übernehmen Verantwortung
Den Ausschlag für diese Entwicklung hatten auch hier die politischen Entwicklungen in Berlin gegeben. Bereits in den 1990er-Jahren machte sich der Paritätische Berlin für eine Entstaatlichung der Kitas stark. „Freie Träger wollen alle Kitas in Berlin übernehmen“ titelte im Oktober 1997 die Berliner Zeitung und schrieb: „Die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin wollen in den kommenden fünf Jahren sämtliche städtische Kindertagesstätten mit derzeit 110 280 Plätzen übernehmen.“ Die Senatsjugendverwaltung war damals noch nicht überzeugt von dem Vorhaben, doch im Jahr 2001 gelang dem Paritätischen der entscheidende Schritt: Angesichts neuer Sparpläne machte der Verband deutlich, dass Berlin durch die Übergabe aller bezirklichen Kitas an freie Träger mehrere hundert Millionen Euro einsparen könnte. Die Idee fand breite Unterstützung – nicht nur bei anderen Wohlfahrtsverbänden, sondern auch bei der Industrie- und Handelskammer und in der Politik. In der rot-roten Koalitionsvereinbarung wurde an dem Vorschlag festgehalten: Rund die Hälfte aller bezirklichen Kitas sollten in den folgenden Jahren an freie Träger übergehen.
Martin Hoyer, damals Kita-Referent des Paritätischen Berlin, erinnert sich noch gut an diesen Moment: „Wir haben Versammlungen einberufen und wollten von unseren Trägervertretern wissen, wie viele Einrichtungen sie sich zutrauen. Die meisten haben begriffen: Das ist eine historische Chance, mehr Vielfalt bei den Trägern zu schaffen, die man sich nicht entgehen lassen sollte.“ Die Kita-Träger im Paritätischen Berlin signalisierten die Bereitschaft, kurzfristig rund 30.000 Plätze zu übernehmen.
„Wir hatten ursprünglich nicht vor, so aktiv im Kita-Bereich zu werden. Aber der Bedarf war so groß, da hat es sich einfach angeboten“, erzählt Barbara Tennstedt von FiPP e.V. Der Verein ist dadurch nicht nur gewachsen, sondern hat auch seinen inhaltlichen Schwerpunkt angepasst: von offenen Jugendclubs hin zur Begleitung und Unterstützung von Bildungsprozessen in der Kita.
Zeit für Qualität, Raum für Bildung
Lange Zeit ging es vor allem darum, mehr Kita-Plätze zu schaffen. Der Bedarf der Berliner Familien wuchs. Jetzt aber sinken die Kinderzahlen. Während es vor wenigen Jahren nur mit Mühe möglich war, einen Betreuungsplatz zu bekommen, verzeichnen Berliner Kitas aktuell sehr viele freie Plätze und werben geradezu um Kinder. Sabine Kosler, Kita-Referentin beim Paritätischen Berlin, wagt einen optimistischen Blick auf die aktuelle Entwicklung. „Darin liegt durchaus eine Chance“, sagt sie. Sie hat selbst mehrere Jahre als Fachberaterin bei einem freien Träger gearbeitet und die Herausforderungen der Leitungen und Mitarbeitenden in den Kitas miterlebt. Nach dem jahrelangen Druck, mehr Kita-Plätze zu schaffen, und der Corona-Krise hätten die Träger nun die Möglichkeit, sich wieder stärker auf Bildungsqualität und Inhalte zu konzentrieren. „Kitas sind Bildungseinrichtungen, und die Träger geben ihr Bestes, um dem gerecht zu werden“, sagt Sabine Kosler. Aber diese Anforderung im ständigen Krisenmodus zwischen Platzknappheit und Pandemie gerecht zu werden, das habe auf die Dauer an den Kräften des Personals gezehrt.

Zeit für Qualität, Raum für Bildung
Lange Zeit ging es vor allem darum, mehr Kita-Plätze zu schaffen. Der Bedarf der Berliner Familien wuchs. Jetzt aber sinken die Kinderzahlen. Während es vor wenigen Jahren nur mit Mühe möglich war, einen Betreuungsplatz zu bekommen, verzeichnen Berliner Kitas aktuell sehr viele freie Plätze und werben geradezu um Kinder. Sabine Kosler, Kita-Referentin beim Paritätischen Berlin, wagt einen optimistischen Blick auf die aktuelle Entwicklung. „Darin liegt durchaus eine Chance“, sagt sie. Sie hat selbst mehrere Jahre als Fachberaterin bei einem freien Träger gearbeitet und die Herausforderungen der Leitungen und Mitarbeitenden in den Kitas miterlebt. Nach dem jahrelangen Druck, mehr Kita-Plätze zu schaffen, und der Corona-Krise hätten die Träger nun die Möglichkeit, sich wieder stärker auf Bildungsqualität und Inhalte zu konzentrieren. „Kitas sind Bildungseinrichtungen, und die Träger geben ihr Bestes, um dem gerecht zu werden“, sagt Sabine Kosler. Aber diese Anforderung im ständigen Krisenmodus zwischen Platzknappheit und Pandemie gerecht zu werden, das habe auf die Dauer an den Kräften des Personals gezehrt.