Was macht eigentlich...?
Was macht eigentlich der Paritätische Berlin? Das wissen die am besten, die im Verband arbeiten. Dieses Mal:
Heike Drees, seit 36 Jahren im Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin. Sie arbeitet als Referentin für Gesundheit, Suchthilfe sowie HIV und Aids. Heike kennt sich aus, hat schon alles erlebt und weiß die besten Geschichten zu erzählen.
Wie würdest du deine Arbeit erklären?
Heike: Am besten lässt sie sich so beschreiben: zuhören, informieren und beraten. Ich entwickle Konzepte und Empfehlungen zur Verbesserung der Sozialen Arbeit, nehme Einfluss auf Politik und Verwaltung und finde kreative Lösungen, die zu den Problemen unserer Mitgliedsorganisationen passen.
Dazu gehört auch Lobbyarbeit, damit die Politik weiß, wie wichtig die Soziale Arbeit im Bereich Gesundheit ist und damit unsere Mitgliedsorganisationen genug finanzielle Mittel erhalten, um diese Arbeit leisten zu können und betroffene Menschen versorgen können. Deshalb vertrete ich auch die Interessen dieser Betroffenen, indem ich gemeinsam mit den Mitgliedern dafür sorge, dass sich ihre Arbeit fachlich weiterentwickelt.
Wie machst du mit deiner Arbeit Berlin besser?
Heike: Gemeinsam mit den Mitgliedsorganisationen in meinen Themenfeldern schauen wir: Wo weisen unsere Hilfesysteme Lücken auf? Hat sich etwas verändert, was wir noch nicht abdecken? In der Suchthilfe beobachten wir die Situation, wenn sich neue Drogen verbreiten, die anders wirken oder anders konsumiert werden. Da müssen wir dann überlegen, ob wir flexibel genug sind, um mit einer neuen Situation umgehen zu können. Und das gilt natürlich auch für alle anderen Erkrankungen. Im nächsten Schritt entwickeln wir Konzepte, wie mögliche Lücken geschlossen werden können. Dann müssen wir Politik und Verwaltung davon überzeugen, dass eine Weiterentwicklung der Versorgung berechtigt und wichtig ist – was oft sehr schwierig ist.
Mit unserer Arbeit sorgen wir auch dafür, dass es in Berlin eine solidarische Gemeinschaft gibt. Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ist immer ein Stück Stadtteilarbeit. Unsere Mitglieder sorgen dafür, dass erkrankte Menschen in ihrem Umfeld, im Kiez, nicht stigmatisiert und ausgegrenzt werden, dass sie nicht vereinsamen und dass ihre Angehörigen Unterstützung erfahren. Und in den Bereichen, in denen ich arbeite, ist es so, dass Menschen häufig stark stigmatisiert und diskriminiert werden. Gerade dann ist eine solidarische Gemeinschaft wichtig. Und ich bin überzeugt, dass wir im Verband mit dem, was wir tun, für diese Solidarität der Menschen untereinander wirklich etwas bewirken können und dafür einstehen. Das liegt mir persönlich am Herzen.
Was sind deine größten Erfolge in 36 Jahren beim Paritätischen Berlin?
Heike: Wir haben es geschafft, dass Menschen mit Suchterkrankung besser versorgt werden: Indem die psychosoziale Betreuung für drogenabhängige Menschen in einer Substitutionsbehandlung eine Leistung der Eingliederungshilfe, heute eine Teilhabe-Leistung, geworden ist. Seitdem muss diese Betreuung finanziert werden, was jeden Tag Leben rettet. Das war 1999 ein Riesenerfolg. Später haben wir das auch für Menschen mit HIV und Aids erreicht. Berlin war jahrelang das erste Bundesland, das das so umgesetzt hat.
Dann hat es viele, viele kleine Erfolge gegeben, die eigentlich ganz große sind. Wir haben uns mit dem Ausbau einer sozialen Arbeit, die nah an den Menschen ist, entfernt von einem Abstinenzdogma, das für Betroffene oft realitätsfern ist. Zum Beispiel mit der Einrichtung von Drogenkonsumräumen oder mit dem Drug-Checking.
Was beschäftigt dich gerade besonders?
Heike: Ganz aktuell beschäftigt mich nur ein einziges Thema: Dass das Land Berlin möglicherweise weniger Geld für Soziale Arbeit bereitstellt. Kürzungen im sozialen und gesundheitlichen Bereich bringen die große Gefahr mit sich, dass Berlin die Verpflichtung zur sozialen Sicherung aufgibt. Wenn es weniger Straßensozialarbeit oder Drogenkonsumräume gibt, nehmen Drogenkriminalität, die Belastung der Anwohnenden in bestimmten Bezirken sowie die Vereinsamung, etwa von chronisch erkrankten Menschen, zu. Ich möchte, dass Gesundheit als Menschenrecht gesehen wird und Menschen mit gesundheitlichen Problemen weder aus finanziellen Gründen noch aus Angst vor Stigmatisierung keine Angebote nutzen, die ihnen helfen können. Das ist entscheidend für unsere Demokratie. Eine Gesellschaft kann nur einen starken Zusammenhalt haben, wenn sie es schafft, sich um die Benachteiligten innerhalb dieser Gesellschaft zu kümmern. Und insofern geht es um viel mehr als darum, dass wir versuchen, Kürzungen abzuwenden. Es geht um unsere Demokratie und die Stärkung der Zivilgesellschaft.
Welches Arbeitstool hat eine besondere Bedeutung für dich?
Heike: Mein Terminkalender. Ich habe alle Terminkalender aus 36 Jahren aufgehoben. Ich kann dir sagen, was ich jeden Tag gemacht habe in diesem Verband. Und das finde ich toll. Insofern ist das ein Tagebuch vieler spannender Begegnungen. Das Durchblättern weckt viele Erinnerungen. Es gab Jahre, die ganz besondere waren. Das Jahr ‘89 mit dem Fall der Berliner Mauer hat meine Arbeit grundlegend verändert. Und die Jahre danach waren natürlich auch total spannend, aufregend und anders als alles vorher.
Mal was anderes: Wenn deine Arbeit ein Duft wäre, welcher wäre das und warum?
Heike: Das ist eine sehr schöne Frage! Meine Arbeit würde duften wie ein großer Gewürzmarkt. Sie ist auch genauso bunt wie ein Gewürzmarkt – weil die Mitgliedsorganisationen so vielfältig sind und weil eigentlich jeder Tag etwas Neues bringt.
Autorin: Merle Klimke
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Was macht eigentlich... der Paritätische Berlin?