Suchtberatung am Limit – keine weiteren Kürzungen in der Suchtberatung!
Stellungnahme von Berliner Sucht- und Drogenberatungsstellen
Zahlreiche Akteurinnen und Akteure des Arbeitskreises der Berliner Sucht- und Drogenberatungsstellen haben sich am 6. November 2024 mit einer Stellungnahme an die Sprecherinnen und Sprecher für Gesundheitspolitik, Drogenpolitik, Soziales der Fraktionen im Abgeordnetenhaus von Berlin gewandt. Der Titel der Stellungnahme lautet "Suchtberatung am Limit – Keine weiteren Kürzungen in der Suchtberatung!".
In der Stellungnahme heißt es:
Berlin ist mit bald vier Millionen Einwohnern eine der größten Metropolen der EU. Es ist naheliegend, dass eine Vielzahl der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt alltäglich mit den Auswirkungen von Konsum, Missbrauch oder Sucht von berauschenden legalen oder illegalen Substanzen und Verhaltenssüchten konfrontiert ist.
Menschen sorgen sich zum Beispiel um einen Kollegen, der in letzter Zeit häufig fehlte und alkoholisiert zur Arbeit erschien. Eltern sorgen sich um ihre Kinder, die Cannabis konsumieren. Nachbarschaften sind belastet, weil sich eine Szene von Drogen- und Alkoholkonsumierenden im öffentlichen Raum gebildet hat. Betroffene bemerken selbst, dass sie die Kontrolle über ihren Konsum verloren haben oder sie spüren bereits die gesundheitlichen Auswirkungen.
Suchtmittelabhängigkeit betrifft Menschen aller gesellschaftlichen Schichten und jeden Alters.
Neben dem individuellen, menschlichen Leid, das eine Suchterkrankung für Betroffene und Angehörige verursacht, entstehen weitreichende Folgen, die alle Bereiche des Zusammenlebens in der Stadt beeinflussen. Die hohen Kosten, die neben der individuellen Tragödie entstehen, belasten die Haushalte und werden zum großen Teil durch die Allgemeinheit getragen.
Für Menschen in dieser Stadt, die sich um ihre Familien, Freunde, Nachbarn und Kolleginnen sorgen oder die selbst von Sucht betroffen sind und daran etwas verändern wollen, führt der erste Schritt in aller Regel in eine Suchtberatungsstelle. Suchtberatungsstellen unterstützen bei Konsumreduktion, Abstinenzmotivation und Abstinenzfestigung, vermitteln in weiterführende Hilfen, wie z. B. ambulante und stationäre Suchttherapien, unterstützen Angehörige, beraten Inhaftierte in den Haftanstalten und vieles mehr. Spezialisierte Angebote z. B. für Jugendliche oder Geflüchtete erweitern das Spektrum der Suchtberatungsstellen.
Die Beratungsstellen sind die erste, wohnortnahe Anlaufstelle für Betroffene, Angehörige, Fachkräfte und andere interessierte Bürgerinnen und Bürger und sorgen für einen niedrigschwelligen, unbürokratischen Zugang in das Hilfesystem.
Suchtberatungsstellen sind das Fundament und der Dreh- und Angelpunkt der komplexen Berliner Suchthilfe.
Doch aktuell drohen finanzielle Kürzungen bei den Beratungsstellen, die eine deutliche Einschränkung der Angebote zur Folge haben werden. Die Auswirkungen dieser Kürzungen würden für die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar zu spüren sein. Verringerte Öffnungszeiten und längere Wartezeiten führen dazu, dass Hilfesuchende später oder gar nicht erreicht werden. Mitarbeitende in den Beratungsstellen geraten an ihre persönlichen Kapazitätsgrenzen. Die Kürzungen werden das Suchthilfe-, das Gesundheits- und das Sozialsystem als Ganzes belasten. Nicht zuletzt wird dadurch auch die öffentliche und soziale Sicherheit in der Stadt beeinträchtigt.
Zur Erinnerung: Nach § 5 des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) handelt es sich bei den Suchtberatungsstellen um einen Bestandteil der bezirklichen psychiatrischen Pflichtversorgung. Nicht ohne Grund hat das Abgeordnetenhaus von Berlin im Jahr 2016 die enorme Wichtigkeit dieser Angebote in Gesetzesform festgehalten.
Für die Erfüllung dieser komplexen und herausfordernden Aufgaben benötigen die Suchtberatungsstellen jedoch auch in Zukunft eine auskömmliche und gesicherte Finanzierung. Andernfalls werden die Träger den ihnen übertragenen Pflichtversorgungsauftrag nicht mehr in der gebotenen Qualität, Quantität und Kontinuität erfüllen können.
Aber eine Tatsache ist auch: Jeder in Suchtberatungsstellen investierte Euro spart laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) 17 Euro an Folgekosten durch vermiedene Gesundheitskosten, weniger Straftaten und (Re-)Integration von Betroffenen ins Arbeitsleben.
Sparen Sie nicht mehr an der Suchtberatung, sparen Sie durch mehr Suchtberatung! Damit leisten Sie nicht nur einen gesundheits- und sozialpolitischen Beitrag für diese Stadt, sondern tragen Sorge für ein gesundes Zusammenleben der Menschen in Berlin.