Keine Kürzungen beim Gewaltschutz: Paritätischer Berlin warnt vor drastischen Folgen der Senatsplanung
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin kritisiert gemeinsam mit der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege die vom Berliner Senat geplanten Kürzungen im Bereich Gewaltschutz und Frauenförderung. Es droht eine Unterfinanzierung von bis zu 7,5 Prozent – mit gravierenden Folgen für Frauen und Kinder, die Schutz und Unterstützung benötigen.
Gewaltschutz ist kein Sparposten
Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung argumentiert, die Haushaltsansätze seien nur um zwei Prozent reduziert worden. Doch diese Darstellung greift zu kurz: Grundlage der Berechnung ist die Zuwendungshöhe von Juli 2025 – ohne Berücksichtigung der realen Kostensteigerungen und tariflichen Verpflichtungen für das Jahr 2026.
Nicht eingerechnet wurden:
- Nachbesetzte Stellen im zweiten Halbjahr 2025
- Steigende Mietkosten
- Tariflich vorgeschriebene Erfahrungsstufen der Beschäftigten
- Tarifsteigerungen für 2026
Die Folge: Die Einrichtungen müssen mehr zahlen, bekommen aber weniger Mittel.
Kürzungen treffen Frauenhäuser und Beratungsstellen besonders hart
Die tatsächlichen Finanzierungslücken liegen laut Berechnungen der LIGA zwischen 3,3 und 7,5 Prozent. Beispielsweise fehlen bei einer Anti-Gewalt-Beratungsstelle fast 91.000 Euro. Die Differenzen sind so groß, dass Personalstunden reduziert werden müssen. Dies bedeutet weniger Beratung und weniger Unterstützung für Frauen in akuter Not.
Dazu sagt Astrid Lück, Referentin für Familie, Frauen und Mädchen beim Paritätischen Berlin: „Der Berliner Senat darf Gewaltschutz nicht zur Verhandlungsmasse machen. Jede unterlassene Finanzierung bedeutet weniger Unterstützung für Frauen und ihre Kinder in akuter Not. Damit steigt das Risiko, dass Frauen der Gewaltsituation nicht entfliehen können. Die Kürzung kann sogar im schlimmsten Fall zur Reduzierung von Schutzplätzen führen. Wir fordern den Senat auf, die tatsächlichen Kostensteigerungen anzuerkennen und den Gewaltschutz bedarfsgerecht zu finanzieren.“
Schon heute kann Berlin die Anforderungen der Istanbul-Konvention nicht erfüllen: Statt der zugesagten 960 Schutzplätze stehen aktuell nur 507 zur Verfügung. Jede Kürzung verschärft die ohnehin prekäre Lage für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder.
Rückflüsse sind kein Argument für Etatabsenkungen
Als Begründung für die Kürzungen verweist der Senat auf Rückflüsse aus dem Jahr 2024.
Doch diese seien kein Zeichen für sinkenden Bedarf, sondern Ergebnis von Verzögerungen bei Personalbesetzungen und Verwaltungsabläufen, betont die LIGA. In einem Bereich, der unter Fachkräftemangel leidet, bleiben Stellen häufig unbesetzt – daraus entstehende Restmittel müssen zurückgezahlt werden, ohne dass der tatsächliche Finanzierungsbedarf sinkt.
Zusammenhang von Schutz, Beratung und ökonomischer Unabhängigkeit
Nachhaltige Gewaltschutz bedeuten auch die Förderung von ökonomischer Unabhängigkeit. Schutz vor Gewalt, Prävention und ökonomische Unabhängigkeit gehören untrennbar zusammen. Frauenhausplätze allein reichen nicht, wenn Beratungsangebote fehlen. Beratung allein hilft nicht, wenn es keine Prävention und keine Wege in Arbeit und Bildung gibt. Prävention bleibt wirkungslos, wenn Frauen in Abhängigkeit und Armut gefangen bleiben. Dazu sagt Astrid Lück: „Diese Bereiche gegeneinander auszuspielen – etwa Kürzungen bei der Prävention zugunsten von Schutzplätzen oder umgekehrt – schwächt das gesamte System. Gewaltbekämpfung funktioniert nur, wenn alle Teile ineinandergreifen.“
Forderung: Realistische Finanzierung sicherstellen
Der Paritätische Berlin fordert gemeinsam mit den anderen LIGA-Verbänden:
- den Erhalt und Ausbau des Etats für Gewaltschutzmaßnahmen,
- eine Anhebung des Titels 68406 auf 39,6 Mio. Euro (plus 2,9 Mio. Euro),
- eine Wiederherstellung des Etats für berufliche Qualifizierungsprojekte (Titel 68418) um 808.000 Euro.
Nur so können Frauenhäuser, Zufluchtswohnungen und Beratungsstellen ihre Arbeit fortsetzen und die Schutzinfrastruktur in Berlin stabilisiert werden.
Hintergrund
Die LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin – bestehend aus AWO, Caritas, Diakonie, DRK, Paritätischem und der Jüdischen Gemeinde – hat am 14. Oktober 2025 eine detaillierte Stellungnahme zu den geplanten Kürzungen im Haushalt 2026/2027 veröffentlicht.
Kontakt beim Paritätischen Berlin
Astrid Lück
E-Mail: lueck[at]paritaet-berlin.de