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  • Art Meldungen
  • Veröffentlichungsdatum 15.05.2025

Integrierte medizinische und soziale Versorgung für obdach- und wohnungslose Menschen in Berlin sichern – jetzt!

© Pixabay

Die Lebensrealitäten wohnungs- und obdachloser Menschen in Berlin sind geprägt von prekären Wohnverhältnissen, Armut, Not, chronischer Erkrankung, psychischer Belastung und mangelndem Zugang zur Regelversorgung.

Eine vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin beauftragte Studie der Charité1 zeigt auf Basis tausender medizinischer Patientenakten aus zwei niedrigschwelligen medizinischen Einrichtungen (Jenny De la Torre Stiftung und TagesTreff „Weitlingstraße“ des HVD), dass sich die gesundheitliche Lage dieser Menschen weiterhin zuspitzt.

Die Studie belegt eindrücklich, dass Menschen in Wohnungslosigkeit überproportional häufig an chronischen und akuten Erkrankungen leiden, gleichzeitig jedoch deutlich schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem haben. Akute und chronische Erkrankungen bleiben häufig unbehandelt.

Trotz hohen medizinischen und psychosozialen Bedarfes können die vorhandenen niedrigschwelligen Hilfen die Versorgung nicht ausreichend sicherstellen. Sie sind unterfinanziert, vielfach spendenabhängig und nicht systematisch mit der Regelversorgung vernetzt. Besonders dramatisch ist die Lage für Menschen ohne Krankenversicherung. Eine nachhaltige, menschenwürdige Versorgung dieser Gruppe ist nur mit strukturellen Reformen erreichbar:

Unsere Forderungen und Empfehlungen:

Integrierte, niedrigschwellige Gesundheitszentren schaffen

  • Dauerhafte, öffentliche Finanzierung der bestehenden Versorgungsangebote anstelleder aktuell bestehenden Abhängigkeit von jährlichen Zuwendungen und Spenden oderEhrenamt.
  • Aufbau von integrierten Gesundheitszentren entsprechend dem „Konzept zurniedrigschwelligen ambulanten Gesundheitsversorgung“ (KNAG)2.
  • Einbindung sozialer und medizinischer Beratung sowie pflegerischer Leistungen.

Gesundheitsversorgung unabhängig vom Versicherungsstatus ermöglichen

  • Gesetzlich verankerte, unbürokratische Zugänge zur Gesundheitsversorgung überkommunale Gesundheitsfonds oder durch die Berliner Clearingstelle.
  • Ausbau und strukturelle Stärkung der Berliner Clearingstelle, um schnelleren Zugangzu Versicherungsleistungen zu ermöglichen.

Migrationssensible und sprachmittlungsbasierte Versorgung sicherstellen

  • Regelmäßige, öffentlich finanzierte Sprachmittlung vor Ort oder digital.
  • Einsatz digitaler Übersetzungshilfen und Förderung von Tools zur sprachlichenUnterstützung.
  • Verankerung interkultureller Kompetenz in Aus- und Weiterbildung des Fachpersonals.

Sozialberatung als Grundpfeiler der medizinischen Versorgung etablieren

  • Verbindliche Integration von Sozialarbeit in Gesundheitszentren – insbesondere beiunklaren Rechtslagen, EU-Freizügigkeit und psychischen Krisen.
  • Kontinuierliche Kommunikation zwischen Sozialdiensten, medizinischen Einrichtungenund Wohnhilfen.

Versorgungsketten durch verbindliche Netzwerke sichern

  • Bessere Vernetzung und Aufbau trilateraler Kommunikationsstrukturen zwischenniedrigschwelliger Versorgung, Notaufnahmen und Regelversorgung.
  • Sozialarbeit in Notaufnahmen etablieren (z. B. durch einen "Akutsozialdienst").
  • Systemübergreifende Versorgungspfade zwischen Notaufnahmen undniedrigschwelliger Versorgung schaffen, z. B. in Form einer strukturellen und öffentlichfinanzierten Transportmöglichkeit von niedrigschwelligen Versorgungsangebotenin Kliniken.

Nachsorge und Pflege für wohnungslose Menschen ermöglichen

  • Stärkung und Ausbau von medizinisch betreuten Krankenwohnungen undGenesungsunterkünfte für obdachlose Patientinnen und Patienten.
  • Kooperation von Pflegediensten mit Wohnheimen und Notunterkünften.
  • Ausbau pflegerischer Nachsorgestrukturen für Menschen ohne festen Wohnsitz.

Digitale und soziale Infrastruktur in niedrigschwelligen Einrichtungen stärken

  • Ausstattung der niedrigschwelligen Einrichtungen mit Waschmöglichkeiten,Kleiderkammern, Mahlzeiten.
  • Zugang zum WLAN und Computerarbeitsplätzen zur Förderung der digitalen Teilhabe,insbesondere für digitale Gesundheitsinformationen und zur Terminvergabe.

Fazit 

Die medizinische und soziale Versorgung wohnungsloser Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche Pflicht. Die Charité-Studie im Auftrag des Paritätischen Berlin belegt eindrucksvoll: Nur durch eine integrierte, dauerhaft finanzierte, migrationssensible und niedrigschwellige Versorgungsstruktur kann gesundheitliche Chancengleichheit und Teilhabe von wohnungs- und obdachlosen Menschen in Berlin erreicht werden. Sie darf kein Parallel- oder Notsystem bleiben. Sie muss regulärer, integrativer Bestandteil des öffentlichen Gesundheits- und Sozialsystems werden – rechtlich gesichert, bedarfsgerecht ausgestaltet und menschenwürdig organisiert. 

Wir fordern den Berliner Senat, die Bezirke sowie die Krankenkassen und Träger öffentlicher Leistungen dazu auf, gemeinsam tragfähige Versorgungsstrukturen zu schaffen und stehen für den Austausch und die Umsetzung bereit – im Sinne des gemeinsamen Ziels #berlinbessermachen.

Ansprechpartnerin

Daniela Radlbeck
Referentin Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungspolitik
Telefon: 030 86 001-180
E-Mail: radlbeck[at]paritaet-berlin.de

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