Goldenes Mammut für rückwärtsgewandte Sozialpolitik verliehen
Protestkundgebung gegen Kürzungen bei der Gemeindepsychiatrie am 8.4.2025

Vertreter sozialer Träger haben am Nachmittag den Negativpreis Goldenes Mammut an die Senatorinnen Dr. Ina Czyborra (Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege) und Cansel Kiziltepe (Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration und Antidiskriminierung) verliehen. Die symbolische Übergabe erfolgte vor der Senatsverwaltung in der Oranienstraße.
Das Goldene Mammut steht für eine Politik, die aus Sicht der sozialen Träger seit Jahren existenzielle Angebote gefährdet. „Wir fordern alle politisch Verantwortlichen auf, die Zerstörung der Gemeindepsychiatrie zu stoppen und die Hilfe für Menschen in Krisen zu sichern. Wir fordern sie auf, ihrer Versorgungsverpflichtung nachzukommen, anstatt Versorgungsangebote abzuschaffen“, heißt es in der Erklärung zur Verleihung.
Die Preisverleihung wurde begleitet von lautstarken Protesten und Redebeiträgen von Betroffenen, Fachkräften und Trägervertreter*innen. Rund 1.000 Personen waren dem Aufruf des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Berlin und weiterer LIGA-Verbände gefolgt. Mit der Aktion wollen sie auf die drohende Schließung und Einschränkung zahlreicher Angebote aufmerksam machen – darunter Kontakt- und Beratungsstellen, Zuverdienst-Projekte, Sucht- und Krisenhilfen.
Noch im April sollen die Bezirke erste Vorgaben für den Doppelhaushalt 2026/2027 erhalten. Bezirksverwaltungen rechnen im Zuwendungsbereich mit Kürzungen zwischen 10 und 15 %, viele soziale Träger stellen sich darauf ein, Angebote weiter einschränken oder ganz schließen müssen.
Vor den negativen Folgen weiterer Kürzungen warnen auch Ärzte in den Berliner Kliniken, die eine zunehmende Inanspruchnahme der jetzt schon überfüllten Notaufnahmen und Stationen befürchten. Dr. Olaf Hardt, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Chefärztinnen und Chefärzte Psychiatrischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern und Fachkrankenhäusern in Berlin: „Wenn präventive und niedrigschwellige Angebote wegfallen, gerät die gesamte Versorgung unter Druck. Menschen werden kostenintensivere Hilfen in Anspruch nehmen müssen.“
Prof. Dr. Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin, kritisiert: „Wer diese Hilfen kürzt, verursacht hohe Folgekosten, überfordert das jetzt schon stark belastete Gesundheitssystem und lässt Menschen in Krisen allein. Wir fordern die verbindliche Absicherung zuwendungsfinanzierter psychosozialer Hilfen im nächsten Doppelhaushalt.“
Seit Jahren fordern die sozialen Träger die Wiedereinführung eines sogenannten Trägerbudgets. Dazu Uwe Brohl-Zubert, Referent für soziale Psychiatrie beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin: „Statt vieler einzelner Geldströme erhalten die Träger eine festgelegte Summe. Das erleichtert die Steuerung der Angebote, reduziert bürokratischen Aufwand und sorgt dafür, dass die öffentlichen Ausgaben besser planbar und kontrollierbar bleiben.“ Damit könnten Ressourcen besser gebündelt und Angebote langfristig abgesichert werden.
Obwohl psychosoziale Hilfen zur Pflichtversorgung gehören – wie das Berliner Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen (PsychKG, § 3 und § 5) eindeutig festlegt – bleiben wichtige Angebote seit Jahren unterfinanziert. Eine Dynamisierung der Zuwendungen findet nicht statt, die Projektmittel decken weder gestiegene Mieten noch Personalkosten. Viele Träger halten ihre Angebote nur noch unter größten Mühen aufrecht. Die Folgen sind messbar: Zwischen 2019 und 2024 wurden die Angebotsstunden in den Kontakt- und Beratungsstellen um 10 % reduziert: Die Zahl der Menschen, die im sogenannten Zuverdienst arbeiten, einem stabilisierenden Beschäftigungsangebot für psychisch erkrankte Menschen, sank sogar um 18 %. Gleichzeitig stiegen die Kontakte beim Berliner Krisendienst um 27 % – ein klarer Hinweis darauf, dass der Bedarf nicht gesunken ist.
Fotos (s. Link): Dennis Weinbörner/Paritätischer Berlin
Pressekontakt

Christine Göttert
E-Mail: goettert[at]paritaet-berlin.de